Kunsttherapie ist eine relativ junge und noch bei vielen Menschen unbekannte Form der kreativ therapeutischen Disziplinen, zu denen zum Beispiel auch Musiktherapie und Tanztherapie gehören.
Gegenstand der Kunsttherapie sind alle gestalterischen Mittel der bildenden Kunst. In der Kunsttherapie steht das eigene Erleben des kreativen Prozesses im Vordergrund. In diesem Prozess werden psychische, sinnliche und intellektuelle Anteile aktiviert, in Bewegung gebracht und finden im Bild ihren Ausdruck.
Auf der Palliativstation der Caritasklinik St. Theresia bietet Sandra Fliedner einmal in der Woche für Patienten und deren Angehörige Kunsttherapie an.
„Diese Menschen befinden sich hier in einer extremen Ausnahmesituation, denn sie sind unmittelbar mit ihrem eigenen Ende konfrontiert und haben zusätzlich noch an den Auswirkungen ihrer Krankheit zu leiden“, erklärt die Kunsttherapeutin.
Die Kunsttherapie solle dabei helfen, das Tragen dieser schweren Bürde zu erleichtern. Durch das eigene kreative Tun komme der Mensch aus seiner passiven Rolle heraus und wird aktiv. Das stärke das Selbstbewusstsein und mobilisiere die inneren Kräfte.
Um diese theoretischen Aspekte zu veranschaulichen, berichtet Sandra Fliedner von einer kunsttherapeutischen Sitzung:
„Herr K. ist von seiner Krankheit schon sehr geschwächt. Er kann nicht aufrecht sitzen, das Sprechen fällt ihm schwer und er ist durch die Medikation sehr müde. Als ich mich ihm vorstelle ist daher auch direkt klar, dass er selbst nicht zum Malen in der Lage ist. Er ist aber froh über meinen Besuch und trotz seiner schlechten Befindlichkeit entwickelt sich ein vorsichtiges Gespräch über sein Leben und seine Interessen. Dabei stellt sich heraus, dass er ein sehr naturverbundener Mensch ist. Ich frage ihn, ob er sich vor seinem inneren Auge ein Bild, vielleicht in der Natur, vorstellen könne, das ihm in seiner Situation Trost spenden kann. Sofort beschreibt er mir einen Baum, ähnlich einer Pappel. Ich schlage ihm vor, dass ich an seiner Stelle diesen Baum malen könnte, was er dankbar annimmt. So sitze ich an seinem Bett und male nach Herrn K.’s Beschreibung seinen Baum, während er selbst mit geschlossenen Augen daliegt.
Als das Bild schließlich fertig ist und er es betrachtet, leuchten seine Augen und er sagt „ja, genau so habe ich ihn mir vorgestellt. Das ist mein Baum.“ Ich stelle ihm das Bild so hin, dass er es bequem vom Bett aus ansehen kann. Als ich gehe, verabschiedet er sich mit den Worten „Wer hätte das gedacht, am Ende meiner Tage kommt noch die Kunst zu mir.“
„Dies macht deutlich, wie nützlich die Kunsttherapie sogar in solch schwierigen Situationen, wie der Konfrontation mit dem eigenen Ableben, sein kann“, bilanziert Sandra Fliedner ihre Arbeit.
Das eigene kreative Tun dient so als gezielte supportive Psychotherapie zur Stabilisierung des Selbstgefühls. Doch nicht nur die aktive Form der Kunsttherapie wirkt positiv auf das Befinden.
Auch die rezeptive Form, die, wie bei Herrn K., durch die Beschreibung eines inneren Bildes oder durch z. B. die Bildbetrachtung angewendet wird, beeinflusst die Stimmung. So kann auch auf diesem Weg Entspannung oder Aktivität hervorgerufen und Assoziationen und Erinnerungen mobilisiert werden.
Kunsttherapie leistet also einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung und Stabilisierung der psychischen Verfassung auch schwerstkranker Patienten.
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