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03.02.2024

„Aufgeben? Das ist keine Option“

Handball-Legende Joachim Deckarm zu Gast im Caritas SeniorenHaus St. Irmina Dudweiler

Es waren besondere Tage für den saarländischen Handballsport. Nicht nur wegen der Europameisterschaft im eigenen Land – Ende Januar stand ein besonderes Sportfestival zu Ehren eines außergewöhnlichen Mannes in Saarbrücken an: Joachim Deckarm wird 70 Jahre alt. Ein Mann, der vor mehr als 40 Jahren zu der Handball-Ikone Deutschlands wurde und zugleich ein dramatisches Schicksal erleiden musste.


Es ist der 30. März 1979, der sein Leben innerhalb von Sekunden veränderte. Joachim Deckarm, Handballspieler des VfL Gummersbach, stößt im Halbfinale des Europapokals im ungarischen Tatabánya in der Luft mit Lajos Panovics unglücklich zusammen und verletzte sich schwer. Die Diagnose: ein doppelter Schädelbasisbruch, ein Gehirnhautriss und schwere Gehirnquetschungen. Nichts sollte mehr so sein, wie es einmal war.


2,03 m oder 2,04 m? Das ist hier die Frage.


Joachim Deckarm wuchs gemeinsam mit seinen drei Brüdern in Saarbrücken auf. Sport wurde in seiner Familie von Beginn an großgeschrieben. Allerdings noch nicht im Handball, sondern in der Leichtathletik beim saarländischen Turnverein TV Malstatt. Als Deutscher Jugendmeister im Mannschafts-Fünfkampf standen für Deckarm unter anderem Hochsprung, Weitsprung, Hürdenlauf und Speerwerfen auf dem Übungsplan. Dabei zählte der Hochsprung zu seiner Lieblingsdisziplin. Noch heute besteht er auf die geschafften 2,04 m. In den Dokumenten seines Vaters wurden nur 2,03 m notiert. Wer nun recht hat – das muss offenbleiben.


Nach dem Leichtathletiktraining zählte aber ein anderer Sport: Handball. Was zunächst als Hobbyspiel entstand, entwickelte sich schnell für ihn und für seine Brüder zum neuen Lieblingssport. „Mit elf Jahren wechselte Joachim zum Handball und er steigerte sich von Jahr zu Jahr. Schon in der B- und A-Jugend spielte er für die Handball-Nationalmannschaft“, berichtet der Bruder Herbert Deckarm. „Er war aufgrund seiner athletisch großen Figur und seinen Vorkenntnissen im Hochsprung oder Speerwerfen einfach prädestiniert für den Handball. Keiner konnte mit ihm mithalten.“


Ich will. Ich kann. Ich muss.


Mit 18 Jahren erhielt Deckarm das Angebot, für die Bundesligamannschaft des VfL Gummersbach zu spielen. Dort wurde er mehrmals Deutscher Meister (1974, 1975, 1976) und auch Europacupsieger (1974). Der Höhepunkt seiner Karriere: Im Jahr 1978 wird der damals 24- jährige mit der Nationalmannschaft der Bundesrepublik gegen die UdSSR Weltmeister.


Doch im Jahr 1979 verändert sich alles. Durch den Sportunfall lag Deckarm 131 Tage im Koma. Das Sprechen, die Motorik, das Bewegen – alles musste neu erlernt werden. Drei Jahre nach dem Unfall wurde Deckarm aus der Rehaklinik als medizinisch gesund entlassen. Und gute Freunde, wie sein ehemaliger Handballtrainer Werner Hürter, machten es sich fortan zur Lebensaufgabe Joachim Deckarm wieder richtig aufzubauen. Sie organisierten Reha- sowie Bewegungs- und Betreuungsangebote. Immer in dem Wissen: Joachim ist stark. Er schafft das. „Sie haben ihn täglich motiviert. Haben gemeinsam mit ihm sein Lebensmotto – Ich will, ich kann, ich muss – geprägt. Sie wussten, dass er ein Kämpfer ist. Gemeinsam schafften wir es, dass er wieder gehen, schwimmen und sprechen lernte. Es war sogar möglich, dass Joachim eines Tages ohne jegliche Hilfe zwei Runden auf der Laufbahn joggen konnte. Das war ein grandioser Moment und wir waren alle sehr stolz auf ihn“, so sein Bruder, Herbert Deckarm.


„Ich sage immer: Die Kerze war da. Jemand musste sie nur anzünden. Und Werner hat sie angezündet.“ (Herbert Deckarm)


Zu Gast im Caritas SeniorenHaus St. Irmina in Dudweiler


Joachim Deckarm schaffte es, der medizinischen Perspektivlosigkeit zu trotzen und fand neuen Lebensmut. Er lebte viele Jahre in Saarbrücken und wurde paritätisch betreut. Seit 2018 lebt Joachim Deckarm nun in einem Pflegeheim in Gummersbach und ist inzwischen auf den Rollstuhl angewiesen. Auch das Sprechen fällt ihm schwerer. Anlässlich seines 70. Geburtstages Mitte Januar wurde er nun zu verschiedenen Feierlichkeiten in seine alte Heimat Saarbrücken eingeladen. „Da Joachim rund um die Uhr Hilfe benötigt, haben wir nach einem entsprechenden Pflegeheim gesucht, in dem mein Bruder im Rahmen einer Kurzzeitpflege aufgenommen werden kann“, erklärte Herbert Deckarm. „Also schaute ich mich mal im Internet um und dieses Haus gefiel mir sehr gut. Ich griff zum Hörer und ein netter Pfleger war mir sofort sympathisch, so dass einem Aufenthalt meines Bruders in diesem Hause nichts mehr im Wege stand.“


Die Mitarbeitenden in Dudweiler freuten sich sehr über den prominenten Besuch. „Das ist schon etwas Besonderes, wenn ein so toller Mann wie Joachim Deckarm in unserem Haus zu Gast ist“, so Pflegedienstleiter Daniel Jenal, der ihn zu verschiedenen Feierlichkeiten in Saarbrücken begleiten durfte. „Er ist sehr herzlich und hat eine beeindruckende Persönlichkeit. Seine Lebensgeschichte ist einfach einmalig.“


Handball war und bleibt seine Leidenschaft


Bis heute ist er dem Handballsport und auch seinen Handballkameraden eng verbunden. „Da lag es nahe, anlässlich seines 70. Geburtstages ein Benefizspiel in seiner alten Heimat Saarbrücken zu veranstalten“, erklärt Christian Schwarzer, ehemaliger Handballspieler der Nationalmannschaft und Organisator des Festivals. „Er hat in seinem Leben viele Menschen inspiriert. Sportlich und menschlich. Er hat den Handball geprägt und gezeigt, dass man alles erreichen kann, wenn man es nur möchte. Und er macht den Menschen Mut, die ein ähnliches Schicksal erleiden mussten. Aufgeben? Das ist für Joachim Deckarm keine Option.“


Vor ausverkaufter Kulisse wurde Joachim Deckarm Ende Januar in der nach ihm benannten Halle in Saarbrücken zum Benefizspiel ‚Saarland Allstars‘ gegen das ‚Handball Allstar-Team‘ unter tosendem Applaus und Standing Ovations begrüßt. „Es ist unglaublich, was am heutigen Abend auf die Beine gestellt wurde“, begrüßte Anke Rehlinger, Ministerpräsidentin des Saarlandes, die Organisator:innen, Helfer:innen und Zuschauer:innen des Benefizspiels. „Es ist für uns alle ein bedeutender Abend, für einen außergewöhnlichen Menschen. Und ich freue mich sehr, Ihnen Herrn Deckarm, am heutigen Tag noch eine ganz besondere Ehre zuteilwerden zu lassen. Für Ihr Leben, Ihr Engagement und Ihre Verdienste möchten wir Ihnen heute Abend den saarländischen Verdienstorden überreichen.“ Sichtlich gerührt von nahm Joachim Deckarm den Verdienstorden an.


Vielen Dank für alles


Für Joachim Deckarm waren es aufregende und glückliche Tage in seiner alten Heimat. Ihm wurden große Ehren zuteil – der Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Saarbrücken, die Verleihung des saarländischen Verdienstordens, ein besonderes Benefizspiel sowie viele weitere Feierlichkeiten mit seinen treuen Wegbegleitern, Freunden und seiner Familie. Auch wenn die vergangenen Jahre für Deckarm nicht einfach waren und er gesundheitliche Rückschläge hinnehmen musste: Mit seinem ungebrochenen Lebensmut hat bis heute über Generationen hinweg tief beeindruckt – und wird dies auch zukünftig tun.

Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken mbH (cts) Rhönweg 6, D-66113 Saarbrücken