09.11.2010

Ist Palliativmedizin eine Antwort auf den Wunsch nach Sterbehilfe? Podiumsdiskussion an der Caritasklinik

Rund 100 Zuhörer kamen zur Veranstaltung „Leben bis zuletzt“ der Gesundheitsregion Saar e.V. und der cts. „Der Wunsch, in Würde zu sterben, beschäftigt die Menschen und berührt sowohl ethische als auch rechtliche Fragen“, sagte Dr. Werner Schreiber, der Vorsitzende des Vereins Gesundheitsregion Saar.

Rund 100 Zuhörer kamen zur Veranstaltung „Leben bis zuletzt“ der Gesundheitsregion Saar e.V. und der Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken (cts)

 

Eigentlich wollte Frau S. möglichst schnell sterben. Fest entschlossen, die künstliche Ernährung einzustellen, kam sie in die Palliativstation der Caritasklinik St. Theresia. Dort nahmen sich Ärztinnen, eine Psychologin und speziell ausgebildete Pflegerinnen der unheilbar an Krebs Erkrankten an, und zeigten ihr Wege auf, wie ihre Schmerzen zu lindern und quälende Symptome in den Griff zu bekommen sind. Frau S. nahm die Hilfe an und gewann so neun Monate Lebenszeit. Eine erfüllte Zeit, die sie vor allem ihrem Mann widmete. „Sie konnte ihr Leben bis zuletzt mitgestalten und hatte trotz erheblicher Einschränkungen eine hohe Lebensqualität“, berichtet Judith Köhler, Master Palliative Care für Pflegende und Trainerin für Palliative Care am cts-Schulzentrum St. Hildegard. Gemeinsam mit Barbara Ninnemann-Ohligschleger, Psychologin der Klinik für Palliativmedizin, und Oberärztin Frauke Backes beschrieb Judith Köhler am Beispiel der inzwischen verstorbenen Frau S., wie ein Sterben in Würde mit Hilfe von Palliativ Care – einem speziellen Versorgungskonzept für Schwerstkranke – aussehen kann.

 

Mit diesem Fallbeispiel begann der Themenabend, zu dem die Gesundheitsregion Saar e.V. und der Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken (cts) am Mittwoch in die Caritasklinik St. Theresia eingeladen hatten. Rund 100 Zuhörer kamen – das Interesse am Thema ist groß. „Der Wunsch, in Würde zu sterben, beschäftigt die Menschen und berührt sowohl ethische als auch rechtliche Fragen“, sagte Dr. Werner Schreiber, der Vorsitzende des Vereins Gesundheitsregion Saar.

 

Wie komplex das Thema ist, zeigte sich bei der anschließenden Podiumsdiskussion über die Frage „Ist Palliative Care die Antwort auf den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe?“.

 

Während in der Klinik für Palliativmedizin der Caritasklinik Schwerstkranke in ihrer letzten Lebensphase begleitet werden, hat Dr. Thomas Vaterrodt als Chefarzt der Klinik für Neurologie der SHG-Kliniken Sonnenberg häufig mit Menschen zu tun, die durch einen Unfall mitten aus dem Leben gerissen wurden. „Bei Wachkomapatienten oder Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma kommen immer häufiger Angehörige zu uns, die nicht möchten, dass die Beatmung fortgesetzt oder eine Magensonde gelegt wird.“ Liegt keine Patientenverfügung vor und kann der Patient sich nicht mehr äußern,  wird bei Gesprächen mit den Angehörigen der „mutmaßliche Wille“ des Patienten in Erfahrung gebracht. „Diesen Willen zu respektieren kann zum Beispiel bedeuten, dass die künstliche Beatmung nicht fortgesetzt wird, mit der Folge, dass der Patient stirbt“, so Dr. Vaterrodt.

 

„Diese passive Sterbehilfe ist in Deutschland erlaubt, im Unterschied zur aktiven Sterbehilfe, die juristisch als Tötung auf Verlangen bezeichnet wird“, erklärt Dr. Maria Blatt-Bodewig, Chefärztin der Klinik für Palliativmedizin.  Sie warnte vor einer Vermischung der Begriffe Palliative Care und Sterbehilfe. Palliative Care habe mit aktiver Sterbehilfe nichts zu tun. Denn bei Palliativ Care gehe es nicht darum, den Tod herbeizuführen oder das Sterben zu beschleunigen, sondern „Menschen sterben zu lassen, wenn sie ins Sterben kommen“.

„Dabei geht es uns um den Menschen in seiner Gesamtheit, mit seinen körperlichen, seelischen und spirituellen Bedürfnissen“, so Dr. Blatt-Bodewig.

 

 

So komplex diese Aufgabe ist, so personalintensiv und damit teuer ist sie auch. „Mit einer Palliativstation macht man keine Rendite. Im Gegenteil: wir investieren hier viel Geld“, betonte cts-Geschäftsführer Hans-Joachim Backes. „Aber als kirchliche Einrichtung fühlen wir uns bei diesem Thema in der Verantwortung. Palliative Care verstehen wir als ein Zeichen der gelebten Nächstenliebe.“

 

Auch im cts-Seniorenzentrum Haus am See in Neunkirchen/Nahe wird das Palliative-Care-Konzept umgesetzt. „Das Angebot richtet sich an Menschen, die im Krankenhaus bereits palliativmedizinisch betreut wurden und nicht nach Hause zurückkehren können“, erläuterte Hausleiterin Steffi Gebel. Nicht nur Senioren, auch jüngere Schwerstkranke werden in der Palliativabteilung im Haus am See aufgenommen. 31 Menschen wurden dort seit Januar 2010 von speziell ausgebildeten Pflegekräften und weiteren Fachleuten betreut.

 

Ursula Kaspar, Seelsorgerin der Klinik für Palliativmedizin in der Caritasklinik St. Theresia, machte Betroffenen und Angehörigen Mut, das Ende des Lebens gemeinsam auszuhalten: „Oftmals ist die letzte Lebensphase eine Zeit besonders intensiver Gefühle und der Freude über das, was man im Leben geschafft hat.“  Für Paul Herrlein, den Geschäftsführer des St. Jakobus Hospizes Saarbrücken, stand am Ende der von Peter Springborn moderierten Diskussion fest: „Palliative Care ist nicht die Antwort auf den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe, sondern die Antwort auf das Leid der Menschen.“

 

Ansprechpartner für die Presse:

Stephan Manstein, Direktor für Geschäftsbereich Jugend- und Altenhilfe,

Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken mbH,

Tel. (0681) 58805 252, E-Mail: s.manstein@cts-mbh.de.

Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken mbH (cts) Rhönweg 6, D-66113 Saarbrücken